This german text was just recently sent to the mailing list de-parl of the FFII.
Hier mal ein Text aus eigener Feder - die Weiterverwendung stelle ich frei,
ist erwünscht und hiermit gestattet, Adaption erlaubt, Referenz erwünscht:
Wie bekannt hat sich der Microsoft-Konzern, zusammen mit 3 Partner im
Rahmen der Open XML Formats Developer Group, sehr darum bemüht
ein von ihm selbst entworfenes Dokumentenformat unter dem Namen
"Office Open XML", kurz OOXML, im Dezember 2006 der ISO,
also der führenden Organisation für internationale Standardisierung,
zur Fortentwicklung und Absegnung mittels deren Verfahren an zu tragen.
Nach ersten Schritten, bei denen zahlreiche externe Kritiker auf die
generelle Inkonsistenz, Definitionsprobleme und so manche Unvollständigkeit
sowie auf allgemeine Unzulänglichkeiten hingewiesen hatten, ist dem
Vorschlag
trotzdem die Ehre zuteil geworden die ersten Hürden genommen zu haben
und in die höheren Stufen der Normen-Entwicklung vordringen zu dürfen.
Wie nun Benjamin Henrion, bekannter Gegner von Softwarepatenten unter
dem Dach des FFII, nun auf den Seiten der Initiative <NO>OOXML bekannt
gibt
(http://www.noooxml.org/forum/t-174349/800-pages-of-defect-for-ooxml-here-it-is)
umfasst die jüngste Stellungnahme in Form eines Fehlerberichts nicht weniger
als 800 Seiten und präsentiert auch umgehend das zugehörige Dokument.
Das Dokument dürfte für Außenstehende regulär eigentlich nicht verfügbar
sein,
mithin handelt es sich also um eine Veröffentlichung die auf grauen
Wegen statt fand.
Henrion beklagt in diesem Zusammenhang eine gewisse Web- und Blog-Scheue
der ISO.
Das Dokument selbst datiert auf den 1. August 2009. Angesichts des nun schon
mehrere Jahre andauernden Bearbeitungsprozesses in den Reihen der ISO
erweckt solch ein dickes Werk keineswegs den Eindruck von Konvergenz und
damit besondere Zuversicht in eine baldige erfolgreiche Verabschiedung.
Eher mag man unter diesen Umständen den Wortmeldungen der Kritiker
aus der Anfangsphase durchaus zugeneigt sein, wie etwa 2007 auf dem
OesterBlog
diese nur 10 Kernpunkte umfassende Aufstellung mit Erläuterungen von
Problemen
(http://web.oesterchat.com/2007/09/05/probleme-mit-ooxml/). Was die ISO nun
vorgelegt hat übertrifft den Umfang dieser frühen Ansicht wohl um
Zehnerpotenzen.
Angesichts weiterer Patent-Anmeldungen von Microsoft im Dokumentenbereich
(http://www.heise.de/ix/XML-Patent-fuer-Microsoft--/news/meldung/143170),
darüber hinaus gehende Bemühungen um die Teilnahme an
Standardisierungsmaßnahmen
im Web-Bereich um das angehende HTML 5 herum
(http://www.heise.de/newsticker/HTML-5-Microsoft-will-mitreden--/meldung/143253)
sowie harscher Kritik von Seiten IBM
(http://www.heise.de/ix/XML-Patent-fuer-Microsoft--/news/meldung/143170)
als auch von zahlreichen Regierungen nicht ganz unbedeutender Staaten
(http://www.heise.de/newsticker/Neuer-Protest-gegen-ISO-Zertifizierung-von-Microsofts-OOXML--/meldung/115301)
am hier recht eigentümlichen ISO Prozess tauchen natürlich Fragen auf.
So könnten sich staatliche Stellen, wie auch gewerbliche und private
Anwender
durchaus die Frage stellen, welche Qualität die althergebrachten
proprietären
Dokumentenstandards aus dem Hause Microsoft denn haben könnten, wenn
schon der bislang scheinbar beste Versuch zur Normierung eines Formats
aus dem gleichen Hause kaum in der Lage zu sein scheint die dafür nötigen
Anforderungen auch nach Jahren der Arbeit daran auch nur halbwegs zu
erfüllen.
Es bleibt letztendlich mehr als fraglich ob sich diese Norm für die Welt
hilfreich ist.
Gemessen am Aufwand für eine Umsetzung in Software steht schließlich
schon seit Mai 2005 mit dem OpenDocument-Format, kurz ODF,
ein klarer Sieger fest, der schon längst die ISO-Weihen genossen hat und
derzeit
bereits ohne viel Aufhebens hin zur Version 1.1 novelliert wird. Dies
nicht zuletzt
wegen der über 400 unterstützenden Unternehmen aus aller Welt in der
zugehörigen
Entwickler-Initiative "Open Document Format Alliance" sowie zahlreichen
existierenden
und gemeinhin tauglich funktionierenden Implementierungen, allen voran
die freie
Umsetzung im Rahmen von OpenOffice.org ab Version 2.0 (aktuell ist
Release 3.1).
Die praktizierte Übernahme in zahlreiche nationale Standards und vor
allem die
Übernahme als Vorgabe für die jeweiligen Verwaltungen schufen massiv Fakten.
Alexander Stohr
D-88131 Lindau (Bodensee)